Drei Monate in Sisimiut (Grönland) – Erinnerungen an ein längst vergangenes Abenteuer – Teil 2

Die ersten Tage

Am ersten Tag musste ich mich natürlich erst einmal registrieren. Dazu ging ich mit meinem Chef, der zum Glück ebenfalls Deutscher war, zur kommunalen Verwaltung. Das ist vergleichbar mit einem Rathaus in Deutschland. Das Erste was ich hier sah hatte mich doch etwas schockierte: Ein Plakat, auf dem eine Frau mit deutlichen blauen Flecken im Gesicht, eine Männerhand und im Hintergrund eine Menge alkoholischer Getränke. Die Sprache konnte ich nicht lesen, aber das war auch nicht nötig. Dieses Thema sollte mich in den nächsten Wochen noch öfter beschäftigen.

Natürlich bekam ich keine Arbeitserlaubnis. Die bekommen nämlich nur die Dänen. Solange es Einheimische, also die Inuit, gab, die keinen Arbeitsplatz haben, bekommen Ausländer keine Arbeitserlaubnis.  Das war aber kein Grund sich Sorgen zu machen, meinte mein Chef. Er kümmere sich um die Papiere und ich soll schon mal anfangen zu arbeiten. Im selben Gebäude. Keine 50 Meter von der Frau entfernt, die mir eben genau dafür keine Erlaubnis erteilen wollte. Also das kam mir schon etwas komisch vor.

Sisimiut Kran vor Verwaltugsgebäude
Das Verwaltungsgebäude in Sisimiut.

Und schon war ich mittendrin im grönländischen Arbeitsleben. Jeden Morgen trafen wir uns in der Werkstatt und besprachen den Arbeitstag. Also ich besprach da mal gar nichts! Ich versuchte zu zuhören und irgendetwas zu verstehen. Die Firma war sehr klein und die Anzahl der Kollegen sehr überschaubar. Da waren 4 Dänen, ein Amerikaner, 3 Deutsche, 3 Inuit und der Lehrling. Der Lehrling war Inuit. Mit ihm hatte ich so gut wie nichts zu tun, da er kaum zur Arbeit kam und viel mehr Interesse an Alkohol und jungen Frauen hatte. Dafür hatten die Anderen aber das volle Verständnis.

Ich musste mir sehr schnell eingestehen, dass ich ein gewaltiges Sprachproblem hatte. Auf die Idee, sich mit Händen und Füßen zu verständigen, kommen vermutlich nur Leute die noch nie ihr Land verlassen haben. Klar kann ich im Laden hysterisch wie ein Affe auf etwas zeigen, was ich haben will. Aber das hat nichts mit Kommunikation zu tun. Egal um was es ging: Ich brauchte Hilfe. So war es dann auch bei den täglichen Arbeitsbesprechungen. Irgendjemand musste  es mir hinterher übersetzen.

Falls ich es noch nicht erzählt hatte, von Beruf bin ich Zimmermann. So wie Jesus, nur mit kürzeren Haaren, aber mit dem gleichen Verlangen aus Wasser Wein zu machen. Das ist aber eine ganz andere Geschichte.

Blick von der Baustelle aus die Stadt

Ich sollte also Zimmererarbeiten durchführen. Allerdings läuft das auf Grönland alles etwas anders ab als ich es gewohnt war. Irgendwie verbrachten wir die meiste Zeit damit etwas zu suchen, abzuholen, zu reparieren oder aufzutauen. Es gab Tage die verbrachte ich mehr Zeit  im Auto als auf der Baustelle. Produktivität sieht anders aus. Arbeiten für die man woanders 1-2 Stunden benötigt, wurde selten an einem Tag fertig. Allerdings waren wir  auch die ganze Zeit, mit irgendetwas beschäftigt. Also Langeweile kam keine auf.

Ach ja, die Arbeitserlaubnis hatte ich natürlich noch bekommen. Zum einen weil die Firma mich unbedingt brauchte, zum anderen wollte man mich nicht einfach wieder wegschicken. Man muss wissen das die Inuit eigentlich sehr nette Menschen sind, über die man nichts Schlechtes sagen kann. Wenn da nicht der Alkohol wäre.

Im Supermarkt 

Einkaufen ist nervig. Aber Notwendig, in Sisimiut gab es damals 4 Supermärkte und 2 kleine Läden in denen meist nur die Einheimischen einkauften. Diese Läden fand ich sehr interessant. Man kennt diese Läden, in denen es alles gibt was man im Alltag so braucht, plus Rasierklingen, Plüschtiere und Handyvertrag. Und dabei sind diese Läden nur ein paar Quadratmeter groß. Man konnte dort sogar einzelne Zigaretten kaufen. Ich weiß nur nicht warum man das tun sollte.

Leider gab es eine kleine Hürde die es zu meistern galt, wenn man da vernünftig einkaufen wollte. Man musste kommunizieren. So ein Sprachproblem ist eine sehr anstrengende Angelegenheit. Ich spreche nun mal kein Dänisch und Inuit leider auch nicht. Also ging ich in die Supermärkte, denn hier kann man sich selber bedienen und den Einkaufswagen füllen.

Sisimiut Berge

Das Angebot erinnerte sehr an typisch dänische Supermärkte und viele Produkte kannte ich noch von unseren früheren Dänemark Reisen. Da waren die Gefriertruhen wesentlich interessanter. Hier gab es neben Fisch und Tiefkühlpizza  auch noch Robbe und Walfleisch. Über das Robben Fleisch  kann ich leider nichts berichten, aber Wal schmeckt doch sehr seltsam. Nein, es schmeckt nicht nach Hühnchen, sondern irgendwie nach Fisch und Leber und erinnert auf seltsame Art an Rindfleisch. Für mich war das nichts.

Außerdem fand man in den Kühltruhen noch große Packungen mit Krabben. Das war schon eher etwas für mich. Davon hatte ich eigentlich immer ein paar Kilo auf Lager.

Sisimiut

Nach der Arbeit und dem Einkaufen hatte ich oft genug Zeit die Stadt zu erkunden. Viel zu erkunden gab es eigentlich nicht, denn Sisimiut ist sehr klein. Gerade ein mal 5000 Menschen leben hier. Also eher eine sehr kleine Kleinstadt, würde man sie mit den Städten in Deutschland vergleichen. Allerdings ist Sisimiut die zweit größte Stadt auf Grönland. Die größte Stadt, mit immerhin 17000 Einwohnern, ist die Hauptstadt Nuuk.

In der Stadt war es eigentlich immer ruhig. Den typischen Großstadt Stress sucht man hier vergebens. Das Einzige was man den ganzen Tag über hörte war der Wind und das ständige Gebelle und Geheule der Schlittenhunde, die überall das Stadtbild prägten. Gelegentlich raste ein Taxi über die vereisten Wege und an den Wochenende röhrten die Schneescooter durch Stadt. Aber es war ja auch Winter und bei den eisigen Temperaturen bleibt man wohl lieber zu Hause.

Solche Rudel von Schlittenhunden sieht man sehr viele in der Stadt

Sisimiut exportiert Kabeljau und Krabben. Viele Menschen dort leben von der Fischerei, sei es vom Fischen oder von der Arbeit in der Krabbenfabrik. Die vielen Fischerboote im Hafen zeugen von einer guten Wirtschaftslage.

Keine einzige Straße führte aus der Stadt. Das war für mich, der vorher im ganzen Bundesgebiet unterwegs war, sehr beklemmend. Passierte man die „Stadtgrenze“ und ging nur ein paar wenige Minuten, so war man plötzlich ganz allein. Um einen herum war nur noch Landschaft, Eis und Schnee. Sehr viel Landschaft. Die nächste Ortschaft war immerhin mehrere hundert Kilometer entfernt. Ich bekam den Tipp Bescheid zu sagen , wenn ich die Stadt verlassen wollte. Denn da draußen wird man nicht so schnell gefunden, falls mal etwas passieren sollte. Schokolade sollte ich auch immer dabei haben. Das brauchte man mir  nicht zweimal sagen. Schokolade geht immer.

Der Hafen von Sisimiut

Viele Kultur und Freizeitangebote gab es nicht. Es gab ein Freibad, irgendwo unter dem Schnee. Eine kleine Disco, aus der die Jugendlichen unter 18 nach 22 Uhr von der Polizei persönlich nach Hause gebracht wurden, und eine kleine Bar, in die Musik noch mehr abschreckte, den Laden zu betreten, wie die Bierpreise.

Damals die einzige Bar in der Stadt.

Im dritten Teil erzähle ich ein wenig vom Wetter. Von den Schneestürmen und wie es sich anfühlt wenn einem der Bart gefriert. Außerdem möchte ich noch von einigen Erlebnissen erzählen die man vermutlich nur nördlich des Polarkreises erleben kann.

 

 

23 Kommentare

  1. Du schreibst so herrlich und mit Witz zwischen den Zeilen. „Ich spreche nun mal kein Dänisch und Inuit leider auch nicht.“ … ich auch nicht, aber ich frage mich wie Inuit eigentlich geht…. LG!!

  2. Bin schon gespannt auf Teil III.
    Verrückt, dass du trotz fehlender Arbeitserlaubnis arbeiten solltest.
    In Singapur wurde ich nicht mal ins Labor gelassen,solange meine Arbeitserlaubnis nicht ausgestellt war^^“

    Viele Grüße aus Singapur!
    Michelle
    gowhereyourhearttellsyoutogo.wordpress.com

    1. Die Inuit sind eigentlich immernoch die Nomaden, die sie einst waren. Man merkt an vielen Stellen das eigentlich gar nicht zu unserer Lebensweise passen. Ich werde da mal in 3 Teil näher drauf eingehen. LG Nico

  3. Auch ich warte gespannt auf Teil 3.
    Die Sprache der Inuit ist echt für deutsche Zungen etwas zungenbrecherisch.
    Hat man aber einmal die vielen Q’s raus, dann soll Inuit gar nicht so schwer sein.

    LG

  4. ich finde es ja unglaublich spannend wie diese Reise weitergeht! beim ersten Teil habe ich ja bereits gesagt, dass dieser Ort unglaublich schön aussieht – aber auch ziemlich hart! ist schon cool, wie sich die Einwohner so an die Gegebenheiten anpassen ?

    danke für den tollen Einblick!
    schönes Wochenende und liebste Grüße auch,
    ❤ Tina von http://www.liebewasist.com

  5. Danke für diesen spannenden Einblick in das Leben und den Alltag in Grönland. Das kann man alles schwer nachvollziehen, wenn man es nicht selbst erlebt hat, was einem an Behördengängen und „machen wir trotzdem“ erwartet.

  6. Das klingt nach einem echten Abenteuer. Gerade die Unterschiede machen es glaube ich auch so interessant wobei ich mich über die Sache mit dem Lehrling noch immer wundere. Das gibt es hier so nicht. Auch interessant ist die Ansicht: erst alle aus dem Ort und dann die Einwanderer. Bei so einem abgeschiedenen Leben ist das wohl auch das einzig richtige.

    Gruß
    Annett

  7. Es sieht so schön aus, aber diese Einsamkeit und dir Sprachbarriere. Hut ab für diesey Abenteuer. Ich freue mich schon auf Teil 3 und die nähere Vorstellung der Inuit. Das find ich ja super spannend.

    1. Also gestreichelt hatte ich die nicht. Das waren keine Kuschelhunde. Ich hatte da schon ne Menge Respekt vor den Kläffern. Zum Glück waren die immer angebunden. ? LG Nico

  8. Habe den ersten Teil verpasst und muss ihn unbedingt nachholen. Finde solche mal etwas anderen Reiseberichte total spannend. Und deinen Schreibstil mag ich auch sehr gerne, war sehr unterhaltam zu lesen.

    Viele Grüße,
    Diana

  9. Das ist bestimmt eine ganz besondere Atmosphäre in einer Stadt im Nirgendwo mit jeder Menge Hunderudeln.
    Toller Bericht! Ich freue mich schon auf Teil 3.
    Liebe Grüße
    Angela

  10. Wow, 3 Monate Grönland! Ein richtig toller Bericht über deine Zeit dort, hab mich richtig festgelesen :-)Ich war auch schon zweimal in Grönland, einmal im Westen und einmal im Osten. Und bestimmt nicht zum letzten Mal! Einfach ein totaler Herzensort!

  11. Lieber Nico,
    für einen ‚Hobby-Fotografen‘ sind das aber ziemlich schöne Bilder!
    Schön erzählt, mit Witz, aber auch zwischen den Zeilen klingt durch, dass Du Dir eine Menge Gedanken über das Leben der Inuit gemacht hast. Es ist total schlimm mitanzusehen, wie ein ganzer Volksstamm dem Alkohol erliegt, weil das Leben so auswegslos erscheint.
    Liebe Grüße

    Alex

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