Facebook-Gruppen sind toll. Also nicht alle, aber einige schon. Da gibt es zum Beispiel eine Gruppe, in der die Mitglieder gerne Bäume fotografieren. Manche fotografieren alle möglichen Bäume und andere konzentrieren sich auf einen ganz bestimmten Baum. Es ist faszinierend, wie unterschiedlich sowohl die Bäume als auch die Fotografien sein können.
Jedenfalls habe ich mich davon inspirieren lassen und mich auf ein kleines Projekt eingelassen. Ich möchte einen Baum durch die Jahreszeiten begleiten. Ich möchte ihn immer wieder besuchen und auf ganz unterschiedliche Art und Weise fotografieren. Verschiedene Brennweiten, Objektive, Blickwinkel oder vielleicht auch mal ein paar Zeitraffer oder Videos. Es wird also viel ausprobiert und nicht immer werden dabei spannende Bilder entstehen. Darum geht es mir auch gar nicht unbedingt. Es geht mir eher darum, dass ich mich längere Zeit mit einem Motiv beschäftige und somit meinen fotografischen Blick verbessere. Angedacht habe ich das ganze bis Ende des Jahres.
Das ganze hier soll einem Tagebuch ähneln. Jedesmal nachdem ich den Baum besuche, werde ich hier darüber berichten. Das wird meist nur an den Wochenenden passieren oder wenn ich zufällig mal Zeit und Gelegenheit habe.
Kurz zur Technik. Ich verwende eine Systemkamera mit APS-C Sensor und in den allermeisten Fällen alte manuelle Objektive. Auf die Objektive werde ich sicher noch eingehen und auch was sonst noch zum Einsatz kommt, werde ich bei Bedarf erklären. Natürlich möchte ich auf die fotografischen Techniken eingehen, zumindest wenn es etwas spezieller wird. Es bleibt also spannend!
Inhaltsverzeichnis
Der Auftakt
06.02.2021 Wenn man einen Baum fotografieren möchte, stellt sich automatische eine Frage, die unbedingt beantwortet werden muss: nämlich welcher Baum sollte es sein? Gar nicht so einfach, denn ein paar Ansprüche stelle ich schon. Er sollte auf jeden Fall leicht zu erreichen sein. Wenn ich dafür extra ins Auto steigen muss, dann macht das wenig Sinn. Außerdem sollte er relativ frei stehen, so das ich ihn von allen Seiten fotografieren kann. Ein spannendes Umfeld wäre auch klasse, damit die Bilder auch abwechslungsreicher werden.
Ich entschloss mich also auf dem alten Friedhof um zusehen. Dort wachsen einige spannende Bäume, die diesen Ansprüchen gerecht werden. Also zog los, bewaffnet mit meiner Kamera, einer kleinen Auswahl an Objektiven mit Festbrennweite, einem Ministativ und dem üblichen Kleinkram, den ich eh immer dabei habe.
Ich hatte an alles gedacht, außer natürlich an geeignete Kleidung, denn es stellte sich heraus, dass auf dem Friedhof ein ziemlich kalter und beißender Wind wehte. Ich war eher herbstlich gekleidet und der kalte Wind pfiff mir ungebremst durch die Jacke. Also war ein wenig Eile geboten.
Ich schaute mich ein wenig um und nur ein einziger Baum stach mir sofort ins Auge. Die Moller Linde sollte es also sein. Ich machte nur ein einziges Foto, bevor ich mich rasch zurückzog und auf meinen warmen Platz am Schreibtisch freute.
Zum Einsatz kam ein Revuenon Special 35 mm f/ 2.8. Das ist ein altes manuelles, japanisches Objektiv. Keine Ahnung wie alt es ist, ich schätze es wurde in den 70ern oder 80ern produziert. Mit dem Objektiv stand ich lange Zeit auf Kriegsfuß. Es war das erste manuelle Objektiv, das ich kaufte und ich tat das nur zu zum testen. Ich glaube ich habe dafür nur 10 oder 15 Euro bezahlt. Mit den Ergebnissen war ich aber nie wirklich zufrieden. Nur aus einer Laune heraus hatte ich es diesmal dabei und jetzt denke ich das ich ihm noch mal eine Chance geben sollte.
Erste Annäherungsversuche
07.02.2021 Nach dem es gestern so kalt war, habe ich mich heute wärmer angezogen. Man ist ist schließlich lernfähig und das Thermometer zeigt immerhin -9 °C. Also noch kälter und diesmal lag sogar noch Schnee.
Heute wollte ich in erster Linie den Baum in seiner vollen Pracht ablichten. Dazu eignet sich ein Weitwinkelobjektiv natürlich am besten.
Trotz der besseren Kleidung macht das Fotografieren bei solchen Temperaturen keinen wirklichen Spaß. Die Finger werden kalt und steif. Man kann auch mit Handschuhen die Kamera bedienen aber das ist ein ziemliches Gefummel. Normalerweise fotografiere ich sehr gerne aus der Froschperspektive, zumindest bei sehr kurzen Brennweiten, aber bei dem Wetter wollte ich mich nicht hinknien. Ich bin immernoch überzeugter Schönwetterfotograf, daran wird sich wohl auch nichts ändern.
Das Objektiv, das heute zu Einsatz kam, ist ein Carl Zeiss Jena Flektogon 20 mm f/ 4 und ein richtiges Sahnestück in meiner Sammlung. Eine tolle Linse, die ich sehr gerne verwende. Ich habe sie mir letztes Jahr zum Geburtstag gegönnt und auch wenn sie nicht ganz billig war, ist sie doch jeden Cent wert.
Frostiger Morgen
10.02.2021 Heute war schon recht zeitig unterwegs. Nicht zum Sonnenaufgang aber immerhin gleich nach dem Frühstück. Wir hatten knackige -13° C und ein fantastisches Licht. Eigentlich wollte ich nur ein paar Winterbilder machen und besuchte den Baum nur, weil es seit dem letzten mal deutlich mehr geschneit hatte. Diese seltene Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen.
Ich hatte mein Weltblick 135 mm f/ 2.8 Auto Teleobjektiv an der Kamera, weil vorher ein paar Nahaufnahmen gemacht hatte. Auf dem Friedhof lag viel Schnee und meine Finger waren mal wieder steif gefroren, deshalb bleib die Linse drauf und ich konzentriere mich auf ein paar Details und auf eher ungewöhnliche Perspektiven.
Ich möchte anmerken, dass mich die Kälte nervt. Bis zum Frühling ist es zum Glück nicht mehr weit und dann werde ich das Fotografieren sicher auch wieder genießen können.
Das Objektiv gehört übrigens mit zu meinen Lieblingsobjektiven und hat einen festen Platz in meinem Rucksack. Ich bin immer wieder schwer beeindruckt zu was für einer Abbildungsleistung diese Linse fähig ist.
Das Fischauge
11.02.2012 heute war es wenigsten nicht mehr so kalt. Das Thermometer zeigt gerade mal -5°C., das ist erträglich. Richtig Lust hatte ich heute zwar nicht mehr zum Fotografieren, aber das Licht war so toll und das wollte ich mir nicht entgehen lassen.
Heute hatte ich eine Linse dabei, die ich nur sehr selten benutze und das gutem Grund. Das MC Zenitar 16 mm f/ 2.8 ist ein russisches Fischaugenobjektiv. Solche Objektive sind für ihre starken Verzerrungen bekannt. Aber es sind extreme Weitwinkelobjektive und wenn man sie geschickt einsetzt, dann kann man damit ganz interessante Bilder machen. Es ist bei weitem nicht mein schärfstes Objektiv und bei Gegenlicht kommt es sehr schnell zu Chromatischen Aberrationen, die sich selbst mit darktable nicht immer zu 100% entfernen lassen.
Die Stärken von dieser Linse liegen aber ganz wo anders. Bei sehr kurzen Brennweiten ist es nämlich so, das alles was sich im Vordergrund befindet stark vergrößert wird und alles im Hintergrund stark verkleinert. Bei einem Fischauge ist dieser Effekt noch viel extremer und genau das macht dieses Objektiv so reizvoll. Ich hatte vor eine ganzen Weile dieses Objektiv hier schon einmal beschrieben.
Ich hatte versucht dem Himmel im Hintergrund mehr Beachtung zu schenken. Es ist lange her, das er mal nicht nur grau und langweilig war. In den nächsten tagen habe ich noch frei, mal sehen was mir da noch so einfällt.
Hyperlapse
12.02.2021 Heute wollte ich mal etwas neues ausprobieren. Also so richtig neu ist es nicht, nur ich hab das halt noch nie zuvor ausprobiert. Die Rede ist von Hyperlapse. Das ist im Grunde ein Timelape mit Bewegung.
Das Prinzip ich ganz einfach, mach sucht sich ein Motiv, macht davon ein Foto, geht einen Schritt weiter auf das Motiv zu und macht ein weiteres Foto und so weiter und so fort. Solange, bis man genügend Bilder gemacht hat. Später werden dann diese Bilder zu einem Clip am Rechner zusammengesetzt. Für eine Sekunde benötigt man 24 Bilder, das heißt man muss ganz schön viele Bilder machen.
Mich schreckte die viele Arbeit bisher immer ab. Ich habe meistens nur an den Wochenenden Zeit und da wollte ich nicht stundenlang an einen kurzen Clip arbeiten. Allerdings war ich heute wirklich erstaunt wie schnell das eigentlich ging. Für diesen kurzen Clip benötigte ich gerade mal eine knappe halbe Stunde. Dazu kommt noch die Zeit für die Bearbeitung, aber hier musste ich viel probieren und beim nächsten mal bin ich schon deutlich schneller.
Man sieht das das ganz noch sehr wacklig und unruhig ist. Das schiebe ich einfach auf die fehlenden Erfahrungen. Das Gelände ist sehr uneben mit vielen Höhenunterschieden. Das scheint für Hyperlapse nicht wirklich optimal zu sein.
Als Objektiv kam wieder das Flektogen 20/f4 zum Einsatz. Eine kurze Brennweite bietet sich hier an, wobei ich Zukunft auch mal mit längerne Brennweiten experimentieren werden.
Die Glaskugel
14.02.2012 Heute habe ich meine Glaskugel entstaubt und habe ein paar Bilder damit gemacht. Einfach so aus der Hand heraus. Normalerweise lege ich die Kugel irgendwo hin, stelle mein Stativ auf und nehme mir ausreichend Zeit zum fokussieren. Aber hier liegt noch überall Schnee und da hatte ich keine wirkliche zu so einem Aufwand. Meistens bedeutet das nämlich, dass man sich hinhocken oder knien muss. Dafür war es mir eindeutig zu nass und zu kalt.
Also habe ich einfach die Kugel in der Hand gehalten, das Objetkiv auf etwa 35cm eingestellt und dann die Kugel einfach vor und zurück bewegt, bis die Reflektion in der Kugel einigermaßen scharf war. Blende auf f/2.8 oder f/4 reicht hier völlig aus, um den Hintergrund unscharf zu bekommen.
Mehr zum Thema Glaskugel hier in dem Link.
Das Objektiv, das heute zum Einsatz kam war ein Pentacon 50 mm f/ 1.8 multi coating auto. Dieses Objektiv stammt aus der ehemaligen DDR. Man bekommt es sehr billig, mit ein wenig Glück schon für unter 10 €. Es ist nicht meine schärfste Linse in dieser Brennweite, aber sie liefert dennoch gute Ergebnisse. Was diese Linse jedoch so besonders macht, ist die geringe Naheinstellgenze von gerade mal 15 cm. Das bedeutet mach kann bis zu 15 cm nah an sein Motiv herangehen und es immer noch scharf stellen. Bei einer Brennweite von 50 mm wären hier etwa 50-60 cm normal. Ich hätte also mit weit ausgestreckten Arm die Glaskugel, die immerhin mehr als 400 Gramm wiegt, die ganze Zeit halten müssen. Oder ich hätte eine kürzere Brennweite wählen müssen und hätte dann den Hintergrund nicht so schön unscharf bekommen. Genau deshalb habe ich mich heute für dieses Objektiv entschieden.
Morgens und Abends
20.02.2021 Es ist mal wieder Wochenende und ich habe endlich die Möglichkeit mal wieder die alte Linde zu besuchen. Der Schnee ist mittlerweile verschwunden und zu meiner Überraschung fand ich sogar ein paar Schneeglöckchen auf dem alten Friedhof. Die Temperaturen sind deutlich im Plus und alles riecht nach Frühling. Für mich die schönste Zeit des Jahres.
Ich war morgens gleich nach dem Frühstück unterwegs und musste leider feststellen, dass der Baum zum Großteil im Schatten versank. Die umliegenden Gebäude standen leider ungünstig zur Sonne. Wenn der Hintergrund deutlich heller ist als das Motiv, dann kann es sehr schnell passieren, dass das Motiv viel zu dunkel wird. Für einen Scherenschnitt war es zu hell und so richtig Stimmung dafür kam auch nicht auf. Man kann zwar Schatten nachträglich aufhellen, aber dann wird auch schnell ein deutliches Rauschen sichtbar. Hier könnte eine Belichtungsreihe Abhilfe schaffen, dass werde ich demnächst mal ausprobieren.
Ich knipste also ein wenig demotiviert herum, machte ein paar Panoramaaufnahmen, die nicht wirklich funktionierten und suchte ein paar eher ungewöhnliche Blickwinkel. Aber das tue ich ja eh immer.
Zum Einsatz kam wieder das 50 mm Pentacon. Es war noch an der Kamera und ich sah keinen Grund es zu wechseln.
Am Abend zog ich nochmal los. Diesmal wollte ganz gezielt die Abendstimmung einfangen. Ich wusste wo die Sonne stehen wird und war diesmal viel besser vorbereitet. Ich schraubte das 20 mm Flektogon an die Kamera und nutzte auch mal wieder das Stativ. Also genau genommen war es nur ein kleines Gorillapod, das ich mir für unsere Reisen gekauft habe aber zur Zeit kann man eh nicht reisen und das kleine Ding kann man tatsächlich für Langzeitbelichtungen verwenden. Einige der Bilder mussten 20 Sekunden lang belichtet werden, weil es mittlerweile schon recht dunkel wurde.
Ich fotografierte zuerst gegen die Sonne. Bei einem schönen gefärbten Himmel bekommt man so tolle Bilder und diese typischen Scherenschnitt-Bilder. Anschießend fotografierte ich mit der Sonne und obwohl es da mittlerweile schon etwas dunkler war, sind die Bilder viel besser belichtet. Man sieht hier also ganz deutlich, wie wichtig die Lichtrichtung ist. Wir Fotografen malen mit Licht und in solchen Situationen haben wir einen kompletten Malkasten zur Verfügung. Wir müssen nur noch anfangen zu malen.
Viel zu lange Brennweite
21.02.2021 Heute hatte ich die glorreiche Idee mein Pentacon 200 mm f/ 4 auszuführen. Warum? weil ich kann! Es ist eine tolle Linse. 15 Blendenlamellen ( normal sind 6) sorgen für ein tolle Bokeh. Die Blende lässt sich stufenlos verstellen, was ich auch recht angenehm finde. Die Schärfe ist ganz akzeptabel. Bis vor kurzen konnte man das Objektiv in einem bekannten Auktionshaus für 20-40€ erstehen. Aktuell kosten die teilweise über 100€. Warum auch immer.
Ich wollte heute eigentlich ein paar Detailaufnahmen machen, aber irgendwie kam ich damit nicht so recht in Stimmung. Die Brennweite war einfach zu lang. Zu dieser Jahreszeit gibt es auch noch nicht so viele Details, wie ich finde. Es fehlen die Blätter, die Knospen oder Blüten. Ein paar Insekten wären auch mal wieder ganz nett.
Aber ich bin ja nicht ganz ratlos, wenn ich die Kamera in der Hand habe. Ich hab einfach ein paar Bilder auf dem Friedhof gemacht und dann das Objektiv gewechselt. Das Weltblick 135 mm f/ 2.8 Auto Tele habe ich zum Glück immer dabei.
Jetzt konnte schon mehr anfangen. Ich machte ein paar Bilder auf der Ferne und ein paar wenige Close-up, bevor mir mal die Finger erfroren.