St.Pauli -mehr als Reeperbahn und Rotlichtviertel

Graffiti St. Pauli an Hauswand Hamburg

Seit unsere zweitälteste Tochter vor einigen Jahren nach St. Pauli gezogen ist, hat Hamburg und speziell sein Stadtteil St. Pauli unserer Herzensstadt Berlin fast den Rang abgelaufen. Wir waren jetzt schon so einige Male dort und haben diesen bunten, lauten, vielfältigen Stadtteil lieben gelernt.

Teller an Hauswand mit Text Liebe ist ein Tuwort
Diese Teller von der anonymen Streetartkünstlerin Frau Jule findet man überall in St.Pauli.

St. Pauli ist ein Moloch, St. Pauli ist ein Mythos. Es ist dreckig, schimmert aber auch in den schönsten Farben. Es trifft Elend auf Luxus. Kriminalität gehört ebenso zu diesem Stadtteil wie Nächstenliebe, Rotlichtmilieu ist genauso Teil wie die Heilsarmee. Diese ganzen Gegenteile machen genau den Charme und die Faszination des Stadtteils aus. Warum es für uns ein wirklicher Herzensort geworden ist, versuchen wir hier mal zusammen zu fassen.

Geschichte St. Paulis

Vom Hamburger Berg zu St.Pauli

Die ersten Bewohner St. Paulis waren Nonnen des Zisterzienser Ordens um 1250 sollen sie nahe am heutigen Fischmarkt gelebt haben.

St.Pauli, was früher Hamburger Berg hieß und lag lange vor den Toren der Stadt Hamburg und eine Ansiedlung war verboten. In der Stadt wurde es aber immer enger und voller, sodass sich immer mehr Menschen vor der Stadt ansiedelten, gerade die unerwünschten Menschen wurde vor die Tore der Stadt verbannt, so wurde 1604 der Pesthof, wo die Pestkranken gepflegt wurden, ins heutige St. Pauli verlegt. Auch die geruchsintensive und lauten Handwerke wie Tranbrennereien und Ölmühlen wurden vor die Stadt verbannt. Auch die Seilmacher, die Reepschläger, daher auch der Name Reeperbahn, die viel Platz für die Herstellung von den Tauen und Seilen benötigen, zogen vor die Tore Hamburgs.

Ende des 18. Jahrhunderts wuchs die Bevölkerung Hamburgs immer mehr, es herrschte Wohnungsknappheit und die Mieten stiegen. Um mehr Einnahmen in Stadtkasse zu haben, das nun auch nachts das Stadttor passierbar sein gegen eine Gebühr, so öffnete bis 23.00 Uhr nun das Tor in St. Georg und dann auch das Millerntor. Der Begriff der Torschlusspanik stammt aus dieser Zeit, nämlich die Angst, nicht mehr in die Stadt zu kommen, da man zu spät ist.

Da die Stadt immer voller und teurer wurde, siedelten sich immer mehr Mensch im Hamburger Berg an, am Anfang vor allem Arme und Kranke. Damit diese etwas Geld verdienten, wurden Gaukeleien vorgeführt und man stellte sich selbst zur Schau mit Behinderungen oder körperlichen Fehlbildungen. Den die Hamburger machten gerne Ausflüge zum Hamburger Berg, da von dort eine wunderbare Aussicht über die Elbe war. Die Schausteller, Gaukler und Seiltänzer zeigten ihr Können in Buden oder Zelten, daher kommt der Name Spielbudenplatz, der jetzt ganz zentral im Stadtteil liegt, wo zum Beispiel der Weihnachtsmarkt Santa Pauli stattfindet.

Um eine Ordnung in dieses Chaos der Gaukler und Schausteller zu bringen, wurden 1840 Bauplätze für feste Gebäude von der Stadt Hamburg festgelegt. So entstand das Vergnügungsviertel mit Zircussen, Theatern, Varietés .

Auch der Fischhändler Gottfried Carl Hagenbeck entdeckte das Potential St. Paulis. Er stellte zunächst Seehunde aus, handelte dann auch mit lebenden Tieren und stellte diese aus. Später entstand dann der Tierpark Hagenbeck.

Eingang zum Santa Pauli Weihnachtsmarkt auf dem Spielbudenplatz

1830 erhielt Hamburg Berg den Status einer Vorstadt und wurde nach der dortigen Kirche nun St.Pauli Vorstadt genannt.

Die Entwicklung zum Vergnügungsviertel

1840 gab es die erste Polizeiwache, denn durch das stetige Wachstum des Vergnügungsviertel gab es auch immer mehr Kriminalität. 1854 erhielt sie das Gebäude, das heute noch unter dem Begriff Davidwache bekannt ist.

Davidwache Reeperbahn mit Polizeiauto davor
Die bekannte Davidwache

1894 wurde St.Pauli Stadtteil Hamburgs.

Neben der seriösen Unterhaltung in den Theatern und anderen Häuser, wo Johan Strauß zum Beispiel selbst dirigierte oder Gerhards Hauptmanns Stücke Premiere hatten, gab es immer auch die unseriösen, die illegalen Etablissements, wo der Besucher doch gerne mal einen Blick riskierte oder sogar etwas erlebte, das vom bürgerlichen Spießertum total abgelehnt wurde. Ein Besuch St.Paulis konnte also immer etwas Abenteuer bieten.

Neben den ganzen Unterhaltungsbetrieben und Restaurants existierte in St. Pauli auch immer die Prostitution. Die Zahl der Bordelle wuchs. In Hamburg war die Prostitution zwar nicht zugelassen, aber man duldete sie.

Daher gab und gibt es so ein bisschen die Unterscheidung von „St. Liderlich“ und „St. Lustig“ in St. Pauli. St. Liderlich,dort wo die Prostitution zu finden war und St. Lustig,dort wo Theater und sonstigen Amüsierbetriebe zu finden waren.

Prostituierte mussten registriert sein, sonst wurden sie wegen Unzucht bestraft. Das machten die Behörden vor allem um Krankheiten einzudämmen, den sie wussten, ein Verbot der Prostitution würde die heimliche Prostitution unkontrollierbar fördern .

Durch Reichsgesetze musste Hamburg reagieren und Bordelle verbieten und Kontrollen durchführen. Das führte aber eigentlich nur zu einer Umbenennung von den Bordellen zu „Beherbergungshäuser“ und es wurde versucht, die Prostitution auf wenige Straßen zu bündeln. So wurde die Herbertstraße mit Toren, später Bretterwänden in eine Straße umgewandelt, in der sich nur noch Bordelle befanden. Auch heute noch sollten nur Männer die Straße betreten, das ist zwar nicht rechtlich durchsetzbar, dass eine Straße nicht von Frauen betreten werden darf, aber aus Anstand und Respekt sollte Frau sich an diese Regel halten!

Prostitution was in St. Pauli schon immer sichtbar, anders als in vielen anderen Städten und das macht es besonders und machte wohl auch einen großen Teil der Anziehungskraft des Stadtteils aus.

St. Pauli Entwicklung bis heute

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wuchs die Bekanntheit von St. Pauli nicht nur durch die Filme von Hans Albers.

Statur Hans Albers Hamburg St.Pauli
Denkmal Hans Albers auf dem Hans Albers Platz

Es boomten die großen Tanzpaläste und es entstanden Clubs, in denen Anfang 1960 die Geburtsstunde der Beatmusik war, die Beatles traten nächtelang mit Erfolg im Star Club, dem Kaiserkeller oder dem Top Ten auf, noch bevor ihre Weltkarriere begann.

Es entstanden immer freizügigere Striptease Bars, Sex Shops schossen aus dem Boden, es entstanden Großbordelle wie das Eros-Center. Mit dieser Entwicklung ist leider auch immer die organisierte Kriminalität verbunden mit Drogen, Menschenhandel, Gewalt und Waffen. In den Siebziger/Achtzigerjahren gipfelte die Gewalt in offenen Bandenkriege und Auftragsmorden. St. Pauli war regelrecht verrufen.

1982 wurde dann um der organisierten Kriminalität und auch Korruption in der Polizei entgegen zu wirken, eine geheime Spezialeinheit der Polizei gebildet, die FD 65. Die mit der Zeit einige Erfolge erzielen konnte. Die offene Gewalt und Kriminalität konnte zurückgedrängt werden.

Mit dem Beginn der Aufführung von Cats von Stage Entertaiment(1986) begann sich St. Pauli dann zu rehabilitieren. Mit der Öffnung weiterer Theater an der Reeperbahn wie dem Schmidt Theater und dem St. Pauli Theater entwickelte sich der Ruf St. Paulis wieder sehr positiv.

Der Stadtteil behielt seinen Ruf und seinen Bekanntheitsgrad weltweit trotz aller Kriegen und Krisen der Zeit. Die Bewohner, die meist aus den ärmeren Schichten stammten, wählten überdurchschnittlich links. Was gerade während des Dritten Reiches immer wieder zu Razzien und Deportationen führte.

Aufstände und Demonstrationen spielten bis in die neuere Zeit immer eine Rolle, ob die Hausbesetzungen mit den Häuserkämpfen der Hafenstraße in den achtzigern Jahre oder die Bambule Unruhen 2002. So gelten die Einwohner:innen St. Paulis als aufrührerisch und widerspenstig. Dass es ein linker Stadtteil ist, und deshalb fühlen wir uns da auch immer so wohl, zeigen immer wieder die Wahlergebnisse so erreichte die noAfD bei den letzten Bundestagswahlen dort nur 2,4 %.

Don`t nazi be happy Graffiti
Graffitis, Plakate und Sticker mit solchen Aussagen findet man überall im Kiez

Dieses linke Selbstverständnis des Viertels sieht man auch deutlich im gleichnamigen 1910 gegründeten Fußballvereins FC St. Pauli, der ein richtiger Stadtteilverein ist.

Die heutigen Probleme bestehen vor allem in Gentrifizierung, in Immobilienspekulation, sodass die Mieten die für Hamburger Verhältnisse immer sehr günstig waren, immer mehr steigen.

Unbewohntes Haus am Hans Albers Platz St.Pauli
Seit mehreren Jahrzehnten leerstehende Wohnungen nur eine Kneipe im Erdgeschoss

St.Pauli hat unser Herz erobert

Diese spannende Geschichte dieses Stadtteils ist die Grundlage des bunten, offenen und vielfältigen Bildes, was wir in St. Pauli jedes Mal erleben. Man kann einfach sein, wie man möchte, es gibt keine komischen Blicke, wenn jemand im Bademantel einkauft oder aber seine Gans oder sein Frettchen an der Leine ausführt.

Gans an der Leine mitten in Hamburg
einfach mal die Gans raus lassen

Die Einwohner St. Paulis(27000) sind relativ jung, meist freundlich und hilfsbereit. Es gibt neben dem quirligen Treiben vor allem um die Reeperbahn, wo es gerade am Wochenende vor Partygängern und Touristen nur so wimmelt, wo es laut und am nächsten Morgen wirklich dreckig ist, auch ruhige Ecken und eben das ganz normale Leben.

Was Eltern immer interessiert, es gibt einige wunderbare Spielplätze und die Spielplatzdichte ist sehr hoch.

Es ist ein Stadtteil, der sich ständig wandelt, der oft Neues ausprobiert, der sehr alternativ wirkt. Ein Stadtteil, der sich gerade in Krisen immer wieder neu erfindet und gefunden hat, ich glaube, das ist eine der Stärken von St. Pauli.

Menschen, die auch mal aufbegehren und sich gemeinsam finden, um etwas erreichen zu wollen, das ist es was in unser Herz geschafft hat.

haus mit rotem Stern am Giebel Hafenstraße Hamburg
Eines der Häuser in der Hafenstraße. Erst Besetzung dann Häuserkampf und nun Genossenschaft

Kieztour St.Pauli Office

Eingang zum St. Pauli Office
St. Pauli Office

Man lernt eine Stadt oder einen Stadtteil gut durch Stadtführungen kennen und wir haben eine Kieztour vom St. Pauli Office mitgemacht und können das nur wärmstens weiterempfehlen. Die Tickets bekamen wir als Weihnachtsgeschenk der Tochter.

Im St. Pauli Office bekommt auch viele Souvenirs mit dem Thema St. Pauli auch viele Bücher zum Stadtteil und zu Hamburg im Allgemeinen.

Dort werden die verschiedensten Touren angeboten und das Besondere alle von dort lebenden Menschen, also man erfährt aus erster Hand über das Leben in St. Pauli. Wir haben die tägliche Kieztour mitgemacht und unser Guide, der seit vielen Jahren in St. Pauli lebt und selbst mal im Umfeld des Rotlichtmilieus gearbeitet hat, konnte uns viele Dinge und Hintergründe des Stadtteils erzählen. Wirklich sehr authentisch und sehr spannende zwei Stunden.

Da ich selbst lange Stadtführungen in Trondheim angeboten habe, kann ich sagen: die Kieztour ist sehr professionell, kompakt, gut organisiert und sehr lehrreich. Zur Tour gehört auch ein Besuch in einer urigen Kneipe, wir waren im legendären Zum Silbersack.

Silbersack Kneipe St. Pauli
Zum Silbersack

Empfehlungen und Tipps

Ausblicke:

Landungsbrücken Hamburg Panoramaaufnahme
Landungsbrücken

Das Tolle an der Lage von St. Pauli ist, dass man nie mehr wie 3 km entfernt vom Wasser von der Elbe ist und es immer tolle Plätze mit Aussicht auf das Treiben der Elbe gibt. Entweder man mag es trubelig an den Landungsbrücken oder genießt den Blick vom Park Fiction mit den Palmen und kann ganz gechillt den Blick auf die Elbe genießen.

Sonnenuntergang Elbe Hamburg
Sonnenuntergang an den Landungsbrücken

Unterirdisch

alter Elbtunnel Hamburg
Alter Elbtunnel

Mit dem Besuch des alten Elbtunnels begibt man sich 21 m unter die Elbe, 426 m lang ist er lang. 1911 wurde er eröffnet, damit die Hafen-und Werftarbeiter einfacher nach Steinwerder kamen. Der Tunnel wird im Moment saniert, die Oströhre ist schon saniert und erstrahlt in neuem Glanz, 400000 Kacheln sind übrigens zu sehen. Seit 2019 ist der Tunnel für Radfahrer und Fußgänger geöffnet, bis zur abschließenden Sanierung der Weströhre bleibt der Tunnel also autofrei.

Fernglas Aussichtspunkt Steinwerder Blick über die Elbe in Hamburg
Aussichtspunkt Steinwerder, wenn man durch den alten Elbtunnel Richtung Steinwerder geht,liegt gleich daneben dieser Aussichtspunkt

Panoptikum

The Beatles imPanoptikum

Das Panoptikum ist der älteste Amüsierbetrieb auf St. Pauli. Es ist ein Familienbetrieb inzwischen in 5. Generation. Interessant in diesem Wachsfigurenkabinett am Spielbudenplatz, sind vor allem die Hintergrundinformationen zu den Wachsfiguren, die man durch den Audioguide erhält, der bereits im Ticketpreis von zur Zeit 7,50 € enthalten ist.

Auch Hunde dürfen mit ins Panoptikum und dürfen auch Selfies machen

Der Dom

Menschen auf dem Dom Hamburg

Dreimal im Jahr findet auf dem 20 Hektar großem Heiligengeistfeld für vier Wochen der Hamburger Dom statt.

Der Dom hat sich zum längsten deutschen Volksfest entwickelt, den insgesamt sind es 12 Wochen im Jahr, an denen man sich dort beim Karussell, Achterbahn oder Geisterbahn fahren austoben kann. Der Dom findet einmal im Frühjahr, Sommer und im Herbst statt.

beleuchtetes Riesenrad Hamburger Dom
Riesenrad auf dem Dom

Die Wasserlichtspiele

Im wunderschönen Park Planten un Blomen, der sowieso immer und zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert ist, finden von Mai bis September jeden Abend kostenlose Wasserlichtspiele statt. Während die Musik aus der Konserve kommt, werden Wasserorgel und Lichtklavier live gespielt. In 30 Minuten werden aus 99 Düsen ungeheure Wassermassen bewegt, die von Hunderten LED angestrahlt werden. Die Hauptfontäne ist 36 m hoch und versprüht feinen Sprühnebel auf die Zuschauer, was in heißen Sommernächten ganz angenehm ist. Alle zwei Wochen wechseln die gespielten Musikstücke.

beleuchtete Wasserfontäne Planten un blomen Park Hamburg

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