Mehr Mut zur Bildbearbeitung

Es schon ein Weile her, dass ich hier die Tastatur bemühte, um meine Gedanken niederzuschreiben. In den letzten Monaten ist viel geschehen und es gab viel wichtigeres im Leben als einen Reise- oder Fotografieblogg. Doch so langsam bewegen wir uns wieder in Richtung Normalität. Zwar nur sehr langsam und mit vielen Einschränkungen, aber solange es uns gut geht spielt das erst einmal keine Rolle.

In den letzten Wochen haben ich zwar nur sehr wenig fotografiert, dafür aber habe ich mich mal wieder etwas intensiver mit der Bearbeitung meiner Bilder beschäftigt. Ich versuche mich gerade an einigen neuen Techniken und nach langer Zeit arbeite ich auch mal wieder mit dem Gimp.

Ich habe viel mit Masken und Ebenen gearbeitet, um die Dynamik in meinen Bildern zu erhöhen, oder um Bildbereiche punktuell aufzuhellen oder abzudunkeln. Aber auch mit Farbstimmungen habe ich viel experimentiert und somit einigen meiner Bilder zu einem ganz anderen Auftritt verholfen.

Dabei viel mir wieder eingefallen, wie gelegentlich über die Bildbearbeitung diskutiert wird: Das sei alles nicht mehr „Echt“. Das habe mit der Realität nichts mehr zu tun! So sah das niemals dort aus!

Das kann einen Anfänger ganz schön verwirren und ist alles andere als hilfreich. Dabei ist es doch so einfach: wenn es dir gefällt, ist es gut! Man sollte sich nicht von irgendwelchen Meinungen verrückt machen lassen und schon gar nicht von Leuten von denen man noch nie irgendwelche Arbeiten gesehen hat. In der Regel kommen solche Aussagen von Leuten, die so gar keine Ahnung haben! Weder von der Fotografie, noch von der Bildbearbeitung. Aber es nervt trotzdem und gerade wenn man selber noch sehr unsicher ist, können solche Aussagen vernichtend sein.

Deshalb möchte ich allen Anfängern mit diesem Beitrag Mut machen, seine oder Ihre Bilder einmal kräftig zu bearbeiten und zwar so, dass sie eben nicht mehr „echt“ aussehen, sondern Cool und spannend! Dazu ein paar Beispiele:

Berlin

Kurz vor dem Lockdown, also Anfang März, hatten wir das Glück noch einmal Berlin zu besuchen und mir gelangen es tatsächlich ein paar schöne Bilder von Brandenburger Tor bei Sonnenaufgang zu schießen. Ich hatte das schon seit Jahren mal vor, aber immer wenn ich in Berlin war kam mir etwas dazwischen.

Das tückische bei Sonnenauf- und Sonnenuntergangsbildern ist, dass man immer bei Gegenlicht fotografiert. Dabei hat man immer die Wahl: entweder ist der Vordergrund richtig belichtet, dann ist aber der Himmel viel zu hell, oder der Himmel ist richtig belichtet, aber der Vordergrund wird viel zu dunkel. So war das auch bei diesen Bildern. Hier das Ausgangsbild:

Das Bild macht erst einmal nicht viel her, aber das soll sich schnell ändern. Ich habe einfach den Vordergrund von Hintergrund getrennt. Den Hintergrund habe ich abgedunkelt und den Vordergrund aufgehellt und somit viel mehr an Dynamik gewonnen. Ich habe die Sättigung erhöht und zum Schluss noch etwas mit dem Licht gespielt. Hier die Ergebnisse:

Nein, so sah es dort zu diesem Zeitpunkt nicht aus. Wenn ich mich richtig erinnere, war ich froh, dass es nicht regnete. Aber das ist völlig egal, denn mein Ziel ist es doch nicht, die Realität abzubilden, sondern etwas Schönes zu erschaffen!

Köln

Es war 2017, also auf unserer großen Interrail-Tour quer durch Europa. Auf unserer Rückreise nach Norwegen verbrachten wir zwei Tage in Köln. Klar, dass ich die Gelegenheit nutzte, um mal wieder bei Sonnenaufgang zu knipsen. An dieser Stelle möchte ich mal wieder betonen, dass dies der beste Zeitpunkt für gute Bilder ist.

Die Bilder, die an diesem Morgen entstanden waren toll. Ich machte ein paar Langzeitbelichtungen und fotografierte den Dom und die Kranhäuser. Doch das Ausgangsmaterial machte noch nicht all zu viel her, deshalb experimentierte ich ein wenig mit der Farbstimmung und der Sättigung:

Die Kranhäuser sind ein sehr beliebtes Fotomotiv. Ein kleiner Umweg hierher lohnt sich auf jeden Fall!

Der Fotohotspot schlechthin in Köln. Aufgenommen mit einer Belichtungszeit von etwa 30 Sekunden. Hier verwendete ich die selbe Technik wie bereits beim Brandenburger Tor.

Nizza

Im Hochsommer zu fotografieren ist schwieriger als man denkt! Die Lichtverhältnisse sind oft eher unvorteilhaft. Deshalb habe ich auch hier die Bilder stark angepasst und sie mit Hilfe einer spannenden Farbgestaltung wesentlich interessanter gemacht.

Diese Bearbeitung von einem Sonnenuntergang über Nizza ist wohl eher etwas unkonventionell. Ob es gefällt, ist Geschmackssache, aber es fällt auf und das auch nicht unbedingt schlecht.

Im Sommer sind die engen und dunklen Gassen in vielen alten Städten ein Segen! Sie sind kühl und schützen uns vor zu viel Sonne. Doch aus fotografischer Sicht ist es schwierig dort, denn die Dynamik ist die reinste Hölle. Hier muss man tief in die Trickkiste greifen, um brauchbare Bilder machen zu können.

Görlitz

Auch mein Wohnsitz blieb natürlich nicht verschont. Durch ein paar kleinere Tricks und ein paar recht einfachen Korrekturen kann es gelingen, das die Bilder wesentlich interessanter werden. Es muss nicht immer so aussehen, wie in der Realität, sondern es muss spannend sein.

Wieder eine Gegenlichtsituation und auch hier konnte ich nur mit der Hilfe von Masken den Vordergrund aufhellen und somit verhindern, dass die Peterskirche komplett im Schatten versinkt.

Ohne die knalligen Farben, wäre dieses Bild extrem langweilig!

Dieser Engel ist eines der schönsten Motive auf dem Görlitzer Nikolaifriedhof. Grund genug, um ihn ein wenig in Szene zu setzen.

Löwenzahn gehört wohl zu den gewöhnlichsten Gewächsen, die es in Europa gibt. Doch mit ein wenig Farbanpassung, wirkt schon etwas interessanter.

Was wird benötigt?

Um solche Bilder zu erstellen und so zu bearbeiten braucht man eigentlich nicht viel. Eine Kamera ist natürlich unabdingbar. Am besten eine, die auch Bilder in RAW aufnehmen kann. Das betrifft heute alle System oder Spiegelreflexkameras aber auch einige Kompaktkameras sind dazu in der Lage. RAW ist ein Roh-Format, das sehr viele Informationen bietet und dadurch viel mehr Möglichkeiten in der Bearbeitung erlaubt.

Des weiteren benötigt man natürlich auch noch Software. Die meisten denken hier sofort an Photoshop. Das scheint der Standard zu sein und es gibt tatsächlich Leute, die sich das kaufen, nur weil sie eventuell mal ein paar Bilder gerade rücken könnten. Doch es gibt auch noch sehr gute Alternativen, die teilweise ebenbürtig und sogar noch kostenlos sind. Ein Blick ins Open-Source-Lager genügt und man findet dort zum Beispiel darktable (über diese Software-Perle habe ich hier schon einiges geschrieben) und natürlich GIMP!

Mit darktable lassen sich RAW-Bilder verwalten und entwickeln. Man nennt das Bearbeiten von RAW tatsächlich Entwickeln, weil sie als das Äquivalent der analogen Negative gelten. Man macht aus einem Rohdaten-Bild ein richtiges Bild, das sich dann auch mit einem Bildbetrachter anschauen lässt.

GIMP wiederum ist ein ausgewachsenes Grafikprogramm, mit dem sich schon viel komplexere Arbeiten realisieren lassen. Kombiniert man die Möglichkeiten beider Programme, erhält man schon ein sehr mächtiges Werkzeug, mit dem man unglaublich viel erreichen kann und dem eigentlich keine Grenzen gesetzt sind.

Was nichts kostet taugt auch nichts? Das gilt definitiv nicht für freie Software! Solche Software entsteht nur, weil es Programmierer gibt, die einfach nur Programme erstellen wollen, die für jedermann zugänglich ist. Es sind also digitale Gutmenschen, die sogar ganze Betriebssystem entwickeln, nur um sie dann einfach im Internet zu verteilen. (Das ganze habe ich jetzt vermutlich etwas stark vereinfacht beschrieben, aber es trifft so ungefähr den Kern der Sache!)

Ich merke gerade das ich schon wieder vom Thema abschweife. Jedenfalls kann ich diese beiden Programm nur wärmstens empfehlen. Mit GIMP arbeite ich jetzt schon bald 20 Jahre mehr oder weniger regelmäßig und möchte es nicht mehr missen.

Ein weiteres Hilfsmittel, was sich lohnt zu kaufen, ist ein Grafiktablett. Damit kann man mittels Zeichenstift sehr genau und bequem zeichnen, radieren, maskieren und so weiter. Das geht bedingt auch mit einer Maus, aber das ist oft sehr fummelig. Wer also oft und gerne bearbeitet, sollte über so einen Kauf nachdenken. Oft werden die Tabletts mit diversen Softwarelizenzen verkauft. Wer hier auf freie Software setzt und eh lieber den GIMP verwendet, kann hier einige Euro sparen, denn freie Software benötigt keine Lizenzen.

Fazit

Auch wenn heute die digitale Welt sehr schnelllebig ist und man in Windeseile durch unzählige Fotos scrollt, ist eine gute und solide Bildbearbeitung wichtig. Vielleicht ist sie sogar besonders wichtig, damit man in der Datenflut auffällt!

Das Erlernen der Fotografie ist ein langer und auch sehr steiniger Prozess, das Erlernen der Bildbearbeitung empfinde ich sogar als noch schwieriger! Aber es lohnt sich, sich damit zu beschäftigen.

Ständig lernt man etwas neues und es gibt unzählige Möglichkeiten, wie man seine Bilder gestalten kann. Viele Bilder, die ich vor wenigen Jahren noch für richtig gut hielt, empfinde ich heute als schlampig und stümperhaft. Man entwickelt sich weiter und das ist wirklich toll.

Erlaubt ist, was gefällt! Es gibt keine Regeln, sondern nur einen Blick für Ästhetik. Also habt Mut und experimentiert ruhig ein wenig mit euren Bildern. Es lohnt sich, denn wer möchte schon gerne auf eine so wichtige Komponente in der digitalen Fotografie verzichten?

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